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Ein Geschenk für die Sinne: Die Ausstellung Viktor und Rolf in München

Heike Kugelmann • 3. Juni 2024

Auch ein Brautkleid gab es in der Ausstellung in München...

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...das Brautkleid von Prinzessin Mabel von Oranje Nassau aus dem niederländischen Königshauses anlässlich ihrer Hochzeit am 24.04.2004

Aber von Anfang an... ich bin nun in meiner Begeisterung ein bisschen mit der "Tür ins Haus gefallen".

Vom 23.03.2024 bis zum 06.10.2024 zeigt die Kunsthalle München eine umfangreiche Retrospektive des niederländischen Designerduos Viktor & Rolf.


Begeistern wird die Ausstellung jeden, der sich für Farbe, Muster, Texturen und Form als Ausdruck von Kreativität interessiert, denn der Gesamteindruck der Ausstellung geht weit über den Begriff von "Mode" hinaus, wie beispielsweise die nachfolgenen Bilder zeigen.
Es war ein Fest für die Augen...

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    Viktor & Rolf "Wearable Art" Haute Couture Collection A/W 2015-16

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    Viktor & Rolf "NO-ready-to-wear collection" A/W 2008-09

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    Viktor & Rolf "The New Royals" Haute Couture Collection A/W 2021-22

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  • Bildtitel

    Viktor & Rolf "Fashion Statements" Haute Couture Collection S/S 2019

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Dem so umfangreichen Werk von Viktor & Rolf auch nur ansatzweise in einem Blogartikel gerecht zu werden ist schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Daher greife ich hier nur einige Facetten auf, die mich besonders beeindruckt haben. Doch zuvor kurz die Rahmendaten: Viktor Horsting und Rolf Snoeren lernten sich 1988 während ihres Studiums an der Academie of Art and Design in Arnheim kennen. Nach ihrem Abschluss gründeten sie gemeinsam 1993 ihre Firma. Neben der Mode sind besonders die Parfums "Flowerbomb" für Damen und "Spicebomb" für Herren sehr bekannt und auch kommerziell sehr erfolgreich...


Was mich nun beeindruckt hat:


  • Der Mut: Diese Eigenständigkeit im Schaffen - fern ab der Konvention. Auf die häufige Frage: "Ist das Mode oder ist das Kunst?" antworten die beiden mit der Gegenfrage: "Warum kann es nicht beides sein" und bezeichnen sich selbst als Fashion Artists. Das erste Bild oben "Wearable Art" mit den Bilderrahmen kann von der Wand genommen werden und tatsächlich als Kleid getragen werden. Bilder davon gibt es im wundervollen Katalog der Ausstellung, die ich aber hier aus Urheberrechtsgründen nicht zeigen kann.
    Während man bei anderen Designern bisweilen den Eindruck hat, dass provokative Stücke in der Kollektion sind um die Aufmerksamkeit der Modemagazine und der Öffentlichkeit über Social Media zu erregen, ist es im Fall von Viktor und Rolf eher ein "Es geht nicht anders", ein striktes und in sich sehr geschlossenes Herangehen an ein Thema oder eine Fragestellung, die künstlerisch über die Ausdrucksform der Mode erschlossen werden soll. Sehr faszinierend!


  • Die Handwerkskunst: In einem Wort: ATEMBERAUBEND. Als jemand, der selbst mit Nadel und Faden zu Werke geht, machte mich das bei einigen Exponaten wirklich sprachlos. Ich stand minutenlang davor und konnte mich nicht sattsehen, staunend ob der Präzision und Kunstfertigkeit. Großes Savoir Faire findet man sicher auch bei den großen französischen Couture Häusern, wie zum Bespiel den wunderbaren Stoffe bei Chanel, doch die unkonventionellen Entwürfe von Viktor und Rolf und die teilweise sehr ungewöhnlichen Materialien, stellen das Atelier vor ganz besondere Herausforderungen, die ganz wundervoll und mit einer beneidenswerten scheinbaren Leichtigkeit gemeistert wurden. 


  • Die Kreativität: Großartige Kollektionen finden sich auch bei anderen Designern, über einen so langen Zeitraum aber Jahr für Jahr zu überraschen und immer wieder mit Sehgewohnheiten zu brechen und Neuland zu beschreiten, das findet man nur bei wenigen: Jean Paul Gaultier, Rei Kawakubo, Dries von Noten fallen mir dazu noch ein - jeder für sich auf einer anderen Ebene und mit anderen Themenfeldern -  vielleicht auch die Themenschauen von Marc Jacobs in den Nullerjahren für Vuitton. Aber das waren eben nur 10 Jahre und nicht drei Dekaden. Jedes Defilee von Viktor und Rolf wird von der Modegemeinschaft mit Spannung erwartet. Und jedes Mal werden unsere Vorstellungen davon, was Mode ist oder aber sein kann, erweitert und unserer Konventionalität ein Spiegel vorgehalten. Durch diese Räume der Kunsthalle München zu laufen, war tatsächlich wie physisch einzutauchen in die Kreativität dieses Designerduos, sehr greifbar, spürbar, ein Gesamtkunstwerk. Wundervoll!


Den wie immer sehr guten Katalog kann ich sehr empfehlen und wer noch Zeit findet bis zum 06.10.2024: der Besuch lohnt sich!





Wir wollen nicht zwanghaft lustig sein, aber wir möchten unbeschwert an die Mode herangehen."

Viktor Horsting


"Schönheit beginnt für uns mit einem schönen Gedanken. Es geht auf jeden Fall nicht um guten Geschmack."

Rolf Snoeren

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Unsere Geschichte beginnt auf der Autofahrt von Stuttgart nach Biarritz vor zwei Jahren, im Sommer 2019, als Reisen noch einfach war. Die lange Fahrt teilten wir auf zwei Etappen auf und so fuhren wir gerade gut ausgeschlafen nach einer Übernachtung in der Nähe von Vichy Richtung Bordeaux und dort auf einem Autobahnzubringer (D1089, der die A89und die A20 verbindet - um ganz genau zu sein) im absoluten Niemandsland, in einer Landschaft aus endlosen bewaldeten Hängen, tat ich das, was man als Beifahrer wirklich nicht macht….. ich schrie laut auf! „AUBAZINE“ ...schrie ich! Laut! Mein Mann zuckte zusammen und schimpfte ob ich den Verstand verloren hatte. Hatte ich! Da auf einem dieser braunen Hinweisschilder, die auch in Frankreich auf Sehenswürdigkeiten hinweisen, da hatte es gestanden. AUBAZINE! 

Ich konnte erst mal gar nichts sagen aber dann stammelte ich: „Da, da ist Coco Chanel zur Schule gegangen!“ Ich glaube, ich hatte Tränen in den Augen. Meine Familie reagierte irritiert, wie häufig, wenn sich bei mir die Bewunderung und Begeisterung für eines meiner Idole zeigt. Wir fuhren gerade durch eine absolute Wildnis aus Bergen und Wäldern, weit und breit kein Dorf zu sehen, schon gar keine Schule. Ich suchte auf dem Navi… tatsächlich da oben in den Bergen, da musste das Kloster liegen. Wir waren ganz nah, 15 Kilometer von der Autobahn. Das Kloster, in das die kleine Gabrielle Chanel 1895, im Alter von 11 Jahren zusammen mit ihren Schwestern von ihrem Vater, einem Lumpensammler, nach dem Tod ihrer Mutter gebracht worden war. Der Vater versprach die Kinder zu besuchen doch er ließ sich nie wieder blicken.... Ich wusste, dass Aubazine irgendwo im Herzen Frankreichs lag, aber der Gedanke, dort mal hinzukommen? Das wäre mir nie eingefallen, zu abwegig.... wortwörtlich ... und jetzt waren wir so nah! Was soll ich sagen: Der nachfolgende Urlaub etwas nördlich von Biarritz war sehr schön, sehr erholsam und wir schafften es sogar nach Spanien, nach Bilbao, ins das berühmte von Frank Gehry entworfene Guggenheim-Museum , aber insgeheim hegte ich die ganze Zeit über die Hoffnung auf der Rückfahrt doch bitte bitte in AUBAZINE vorbeifahren zu dürfen. Zumal wir ohnehin wieder im die gleiche Route über Vichy nehmen wollten, denn die Strecke Biarritz-Stuttgart an einem Tag ist einfach zu weit. 

Wir waren mit Freunden im Urlaub und es wurde zum Running Gag! Mein Mann erzählte jedem, der es hören wollte - und auch jedem, der es nicht hören wollte - mehrfach, dass er auf der Rückfahrt noch in der Grundschule von dieser Coco Chanel vorbei müsste. Er ließ sich erweichen. Ich durfte auf der Rückfahrt „Aubazine“ ins Navi eingeben und hätte uns nicht ein Stau rund um Bordeaux aufgehalten, wir hätten die 15:00 Uhr-Führung geschafft. Meine Familie frohlockte während ich nur still dachte: „Ein Grund nochmals herzukommen.“ Und dann waren wir da: Strenge... das ist der erste Eindruck. Und wir kamen an einem schönen Spätsommertag an diesem Ort an. Wie mussten sich Gabrielle Chanel und ihre beiden Schwestern gefühlt haben, die hier Ende Februar 1895 im Winter, nach dem Tod der Mutter, ankamen. In dieser Abtei, 1134 von Benediktinern gegründet. Die Kirche war einst viel größer. Eine der bedeutendsten und wohlhabendsten Abteien in diesem Teil Frankreichs. Sechs Langhausjochbögen wurden 1757 infolge des Niedergangs der großen französischen Klöster abgerissen, der Kircheninnenraum verkleinert. Demzufolge wurde auch die Fassade neu gegliedert und aufgebaut. Nach der franz. Revolution wurde das Kloster aufgelöst und zum Waisenhaus umfunktioniert. In das Kloster konnten wir also leider nicht ohne Führung... aber in die Kirche, die tagsüber immer offen ist. Was mich überraschte: nirgends auf dem Platz ein Hinweis auf die berühmte Tochter dieses Ortes, die hier von ihrem 11. bis zu ihrem 18 Lebensjahr lebte und - und da sind sich alle Biografen einig - von diesem Ort sehr geprägt wurde. Auch wenn sie selbst ihren Aufenthalt hier zeitlebens verleugnet hat. Aber jetzt ist es Zeit, hinein zu gehen und dort Platz zu nehmen, wo einst Coco Chanel zur Schule ging!

 Hier saß sie also, die kleine Gabrielle, lange bevor sie „Coco“ wurde, auf diesen hintersten, kleineren, schmucklosen Bänken in der Kirche, die den Waisenkindern zugedacht waren. Während endloser Andachten wanderte ihr Blick durch den schlichten, frühgotischen Innenraum der 1176 erbauten Abteikirche und sicherlich immer wieder zu den geometrischen Mustern der Fenster, der einzigen Ablenkung. In ihren Biografien wird erwähnt, dass hier der Ursprung zum Chanel Logo mit dem doppelten „C“ liegen könnte. Gabrielle Chanel wird sicher oft hinauf gesehen haben zu diesen Fenstern, lag doch dahinter die ersehnte Freiheit. 

Die massive, einschüchternde Steintreppe führt hinauf in das Kloster. Das dahinter liegende frühere Dormitorium der Mönche wurde zu den Schlafsälen der Waisenmädchen. In Aubazine erhielt Gabrielle Chanel ihre schulische Ausbildung. Es war das Ziel des Waisenhauses, dass die Mädchen später für sich selbst sorgen könnten. An diesem Ort hat Chanel gebetet, gelernt, gearbeitet, geschlafen, wurde zur Näherin ausgebildet, in einer Welt der Abgeschiedenheit, umgeben von hohen Mauern, der Tagesablauf bestimmt von den Andachten. 

Der Fußboden aus rohen Steinsplittern, das Fehlen von Ornamenten und Dekor, ganz im Sinne der auf Verzicht und Einfachheit ausgerichteten Ordensregeln der Zisterzienser, der schlichte Habit der Schwestern, die das Waisenhaus leiteten, wiederholen den ersten Eindruck: Strenge - aber auch Erhabenheit. 1901 mit 18 verließ Chanel Aubazine, ging nach Moulins und wurde zu Coco… das ist eine ganz eigene Geschichte, in der sowohl wohlhabende Liebhaber, billige Varietés als auch ein Damenmodengeschäft eine Rolle spielen. 

Die Revolution in der Damenmode, die Coco Chanel 1913 mit der Eröffnung ihrer Boutique in Deauville, dem bekannten Seebad in der Normandie beginnen sollte, beruht auf eben jener Kunst des Weglassens, einem stilsicherem Minimalismus, der Klarheit und Schönheit starker Farbkontraste, allen voran Schwarz und Weiß. Eine Ästhetik, die sie in Aubazine kennengelernt hatte und zu der das Zitat von ihr passt: „Mode sei Architektur.“


 Ja... und um auf den Titel dieses Beitrags zurückzukommen: Man kann hier heiraten! Selbstverständlich! Man darf sich allerdings an den Hunderten von Spinnweben an den Fenster nicht stören! Auf Instagram unter https://www.instagram.com/abbaye_aubazine/ oder im Netz unter: https://abbaye.aubazine.com/ Quelle letztes Bild mit dem Porträt von Gabrielle Chanel: Wikipedia
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